Frag mal einen Gründer oder Geschäftsführer eines kleinen oder mittelgrossen Unternehmens (KMU), was ihm am meisten Kopfschmerzen bereitet – und in neun von zehn Fällen kommt irgendwann der Satz:
„Wir finden einfach keine guten Verkäufer.“
Warum ist das so? Warum fällt es kleinen Unternehmen so schwer, Top-Sales-Leute zu gewinnen oder überhaupt funktionierende Vertriebssteams aufzubauen? Liegt’s wirklich nur am Geld? Oder steckt mehr dahinter?
1. Gute Verkäufer sind teuer – und bleiben es
Das Offensichtlichste zuerst: Richtig gute Verkäufer kosten Geld. Viel Geld.
Und das liegt nicht nur am Grundgehalt. Gute Leute wollen:
• Fixum plus ordentliche Provision
• Firmenauto oder Mobilitätspaket
• Flexibilität und gute Tools
• Perspektive – beruflich und finanziell
Viele KMUs zahlen das nötigste plus ein bisschen Provision oben drauf – und wundern sich dann, warum nur Quereinsteiger oder "Kaltakquise-Karrieren" anklopfen. Oder wenn sich nur die Resterampe meldet. Guter Verkauf ist aber keine Resteverwertung, sondern Hochleistungssport.
Ein Top-Verkäufer weiss, was er kann – und was er auf dem Markt wert ist. Warum also zu einem kleinen Unternehmen gehen, wenn man bei einem Konzern oder bekannten Brand das Doppelte verdient, ohne sich zu erklären?
Man kann also durchaus sagen, dass es häufig ein gegenseitiges Belügen ist. Der oder die Bewerberin stellt sich als Superkanone dar, obwohl die verkäuferischen Erfolge bescheiden waren, und die Firma präsentiert sich in goldenem Licht. Und eigentlich wissen beide, dass sie angelogen werden. Und sind dann trotzdem enttäuscht.
2. Fehlende Struktur: Wer soll das eigentlich führen?
Der zweite grosse Faktor ist strukturell. In vielen kleinen Unternehmen fehlt:
• eine klare Vertriebsstrategie
• ein sauberer Sales-Funnel
• ein CRM, das den Namen verdient
• klare Ziele, KPIs, Coaching
Ein guter Verkäufer will sich nicht selbst organisieren, sein eigenes Reporting bauen und sich gleichzeitig den Zielkunden raussuchen. Er oder sie will verkaufen – nicht die Verkaufsabteilung erfinden.
Wenn dann der Chef sagt: „Mach einfach mal“, ist die Kündigung oft nur ein paar Wochen entfernt.
3. Fehlender Status: Gegen grosse Firmen und Namen anstinken ist schwer
Kleinere Firmen haben häufig keine klingenden oder bekannten Namen. Und klar, es ist viel einfacher einen Termin zu bekommen wenn auf der Visitenkarte der Name eines Konzerns steht. Auch heute noch.
Und dann noch weniger verdienen….schwierig.
4. Keine Karriere, keine Zukunft
Noch ein Punkt, der oft vergessen wird: Karriere.
Ein guter Verkäufer fragt sich: „Was ist in zwei Jahren? In fünf?“
Aber in vielen KMUs gibt es keine klare Antwort:
• Kein Team, das man später führen kann
• Kein Sprung in Key Account, Business Development oder internationales Geschäft
• Kein Aufstieg in die Geschäftsleitung oder Beteiligungsmodelle
Ohne Perspektive kein Commitment. Wer wirklich gut ist, will mehr – nicht nur jedes Jahr ein Prozent mehr Provision.
Und jetzt? Was können KMUs tun?
Das klingt jetzt alles ziemlich düster – aber es gibt Wege, wie kleine Unternehmen trotzdem an gute Vertriebsleute kommen können. Hier ein paar Lösungsansätze, die realistisch und machbar sind:
1. Klartext beim Thema Geld
Man muss nicht mit Konzernen konkurrieren – aber das Angebot muss fair und transparent sein:
• Ein solides Fixum (nicht nur 100% Provision!)
• Eine nachvollziehbare, erreichbare Bonusstruktur
• Keine Beschränkungen bei Provisionen – gute Leistung muss sich lohnen. Einer der wenigen Bereiche, wo Konzerne nicht mithalten können, denn fast alle Salespläne bei grossen Firmen sind “gedeckelt”.
Tipp: Wenn du kein Top-Gehalt zahlen kannst, dann biete echte Beteiligung an. Umsatzbeteiligung, Aktien. Wenn du nicht teilen kannst oder willst, warum sollten Verkäufer alles geben? Das Thema Firmenbeteiligung ist vor allem bei Firmen mit einem “Patron”-Setup oft schwer. Aber die Firmen verbauen sich damit auch schon mal die Zukunft.
2. Struktur schaffen – bevor man sucht
Bevor du jemanden einstellst:
• Definiere den Verkaufssprozess: Von Lead bis Abschluss
• Bau ein einfaches CRM auf oder arbeite mit Projektmanagement-Tools (z. B. Pipedrive, HubSpot, Asana etc.)
• Kläre: Wer sind unsere Zielkunden? Was ist unser Pitch?
• Klare Ziele setzen (z. B. Anzahl Kontakte, Angebote, Abschlüsse)
Keine Struktur = keine Performance.
3. Status aufwerten
Verkauf ist nicht der “Lautsprecher vom Dienst”. Es ist die Abteilung, die Geld bringt.
Das muss sich auch im Unternehmen widerspiegeln:
• Veraufsfeedback ernst nehmen
• Verkäufer in Entscheidungen einbeziehen, auch bei der Produkte-Entwicklung
• Erfolge sichtbar machen
• Kein Fingerpointing bei Misserfolg – sondern Analyse & Coaching
• Der Lead vom Verkauf gehört in die Geschäftsleitung
4. Perspektive bieten
Schon mal über folgendes nachgedacht?
• In ein paar Jahren ein kleines Sales-Team aufbauen lassen
• Beteiligungsmodell einführen
• Rolle in Strategie und Business Development erweitern
Menschen bleiben, wenn sie wachsen können.
5. Kreativ rekrutieren
Die Top-Performer auf dem Markt suchen nicht aktiv. Deshalb:
• Nutze dein Netzwerk – wer kennt wen?
• Geh auf Branchenevents, nicht nur auf Jobplattformen
• LinkedIn Direktansprachen – aber persönlich und ehrlich
• Erlaube Quereinsteiger mit Drive – aber begleite sie eng
• Und, für viele KMU’s der einzige Weg, zu einem guten Verkaufsteam zu kommen – ein eigenes Team aufbauen! Junge, motivierte Mitarbeiter langsam nachziehen! Und wenn du das nicht kannst, lass dir eine Verkaufsabteilung bauen.
Und ganz wichtig: Mach Verkauf nicht zu einem „Einzelbüro-Ding“ irgendwo im Eck. Hol den Vertrieb ins Zentrum. Nochmals, der Verkauf gehört in die Geschäftsleitung!
Du willst immer nur micromanagen? Du kommst mit “diese Autoklasse ist nur für Geschäftsleitungsmitglieder, zu der du leider nicht gehörst”? Du denkst du kannst mit Versprechungen gute Verkäufer halten? Es ist dir unbequem, zusammen mit dem Verkäufer an Messen zu gehen und selbst Kunden zu besuchen?
Schwierig.
Verkauf ist kein Wunder, sondern ein System. Verkauf ist nicht nur eine Funktion – es ist der Motor deines Unternehmens. Und ein guter Motor braucht Pflege, Benzin – und vor allem: Platz, um zu fahren.