Jetzt sind die Manager dran!

René Albert

Warum die Zukunft der Manager düster aussieht – und warum das gar nicht so schlecht ist

Künstliche Intelligenz, KI, oder AI, hat schon lange angefangen Jobs zu eliminieren. War es nicht der manchmal zugegebenermassen schräge Elon Musk, der einmal gesagt hat: “Diejenigen die sich keine Sorgen wegen KI machen, sollten sich die meisten Sorgen machen.”

Bis jetzt traf es mehrheitlich klassische “Entry-Level-Jobs”, Berufsanfänger also. Prozesse wurden gestrafft, einfachere Arbeiten automatisiert. Ich unterhalte mich mittlerweile seit Jahren mit einem Geschäftspartner und Freund über die Auswirkungen von AI auf die Gesellschaft, den Arbeitsmarkt und die Politik. Und er hat seit Monaten gesagt: Bald sind die Manager dran.

Ich war ein paar Jahre Senior Manager in einem grossen amerikanischen Konzern, verantwortlich für eine Business Unit in der Schweiz. Ich habe viel gelernt, interessante Leute kennengelernt. Aber es sind mir auch ein paar seltsame Dinge aufgefallen:

Unsere Vice Presidents – also die vermeintlich „grossen Fische“ – hatten in Wahrheit weder echte Entscheidungsmacht noch strategische Verantwortung.

Viele davon waren wirklich smart und konnten auch komplexe Excel-Dokument mit unglaublich vielen Zahlenreihen schnell “durchforsten”.

Aber die meisten wichtigen Entscheidungen kamen von oben, aus der Zentrale in den USA. Und unten, auf der operativen Ebene, trafen Teamleiter und Manager mehr echte Entscheidungen als so mancher VP. Die mittlere Führungsebene war – und ist – ein seltsames Konstrukt: offiziell strategisch, praktisch aber oft machtlos. Und genauso oft ziemlich ahnungslos, denn die Strategie wird woanders gebaut, und implementiert wird auch woanders.

Und genau diese Ebene steht jetzt unter massivem Druck.

Titel-Inflation und Entscheidungs-Attrappen

In großen amerikanischen Konzernen herrscht seit Jahren eine regelrechte Titel-Inflation. Man verteilt Vice-President-Titel grosszügig, weil es sich gut anhört – nach Macht, Einfluss und Erfolg. In Wahrheit ist der Titel oft nicht mehr als ein Etikett.

In der Praxis sieht es so aus:

• Direktor: führt Teams oder Abteilungen.

• VP oder Senior VP: koordiniert mehrere Direktoren, genehmigt Budgets, sitzt in Meetings.

• EVP, President, CxO, CEO: trifft wirkliche Entscheidungen.

Ein „Vice President“ ist also – zumindest in Konzernen mit mehreren Zehntausend Mitarbeitern – nichts anderes als gehobenes mittleres Management. Er sitzt weder am strategischen Steuer noch an der operativen Front. Er vermittelt, reportet, harmonisiert – und verliert dabei oft den Bezug zum echten Geschäft. Ich erinnere mich an Meetings, in denen fünf VPs über „Synergien“ diskutierten, ohne zu merken, dass ihre Teams längst eigene Wege gefunden hatten, Probleme zu lösen. Was oben diskutiert wurde, war oft schon unten überholt. Man kann auch leicht bösartig sagen, dass häufig Phrasen gedroschen werden. Alles is gemanaged, wenig ist echt.

Das Theater der Entscheidungen

Auf dem Papier geht es bei Management um Strategie, Weitsicht, Prioritäten. In der Realität ist es oft ein Theaterstück: Man inszeniert Entscheidungskraft, während die eigentliche Macht längst woanders liegt. Die wirklich grossen strategischen Entscheidungen werden im Boardroom getroffen – oder im kleinen Kreis um den CEO. Und die echten, täglichen Entscheidungen entstehen an der Basis: in den Teams, bei den Kunden, in den Projekten. Dazwischen sitzt der „klassische Manager“ – und vermittelt. Er sammelt Informationen von unten, verpackt sie in PowerPoint-Slides für oben, und trägt Anweisungen von oben wieder nach unten. Das ist keine Strategiearbeit. Das ist Kommunikations-Logistik. Braucht kein Mensch. Und oha, jetzt hat man es gemerkt.

Warum gerade diese Ebene jetzt in Gefahr ist?

Genau diese Art von Arbeit – die Organisation, die Abstimmung, das Reporting – lässt sich heute durch Technologie automatisieren. Künstliche Intelligenz, automatisierte Datenanalyse, Projektmanagement-Tools – sie erledigen vieles, wofür man früher ganze Abteilungen brauchte. Früher hieß es, dass KI die einfachen Jobs gefährden würde – Kassierer, Sachbearbeiter, Logistiker. Heute zeigt sich das Gegenteil: Die neue Welle von KI-Systemen bedroht nicht die Basis, sondern die Mitte und den oberen Mittelbau. Denn was macht ein Grossteil der mittleren Manager?

• Sie sammeln Informationen.

• Sie schreiben Berichte.

• Sie koordinieren Meetings.

• Sie formulieren E-Mails mit „strategischem“ Vokabular.

Das alles kann KI schneller, genauer und billiger. Und sie macht keine PowerPoint-Fehler.

Die unbequeme Wahrheit über viele Manager

Wenn man ehrlich ist, sind viele Management-Jobs längst Scheinpositionen.Es geht nicht um Wertschöpfung, sondern um Kontrolle, Reporting und Status.In vielen Konzernen ist Management zum Selbstzweck geworden – eine Schicht von Menschen, die die Arbeit anderer Menschen verwalten. Das klingt hart, aber sehen wir es nüchtern: Je mehr Ebenen es gibt, desto länger dauert es, bis eine Entscheidung umgesetzt wird. Je mehr Manager im Spiel sind, desto mehr Energie geht in interne Abstimmung statt in Kundenorientierung. Und genau hier setzt die digitale Transformation an. Technologie flacht Strukturen ab. KI ersetzt Reportings, Dashboards ersetzen Status-Meetings. Und plötzlich fällt auf, dass viele Manager gar nicht nötig sind, um ein Unternehmen am Laufen zu halten.

Was das für Unternehmen bedeutet

Das ist kein Drama – im Gegenteil, es ist eine Chance. Wenn mittlere Managementebenen schrumpfen, kann das Unternehmen schneller, schlanker und agiler machen. Weniger Machtspielchen, weniger Silos, weniger interner Lärm. Aber: Es braucht einen Kulturwandel. Viele Firmen sind psychologisch auf Hierarchie programmiert. Die Frage lautet also nicht nur „Wie viele Manager brauchen wir?“, sondern auch „Wie führen wir ohne sie?“. Gute Unternehmen nutzen diese Entwicklung, um Verantwortung nach unten zu geben. Entscheidungen dort zu treffen, wo das Wissen sitzt. Das heisst: Mehr Autonomie für Teams, mehr Vertrauen, mehr Transparenz. Schlechte Unternehmen hingegen reagieren mit Angst – sie schaffen neue Kontrollmechanismen, neue Tools, neue Meetings. Und am Ende passiert: nichts.

Was das für Manager selbst bedeutet

Für viele Führungskräfte ist das eine unbequeme Wahrheit. Aber sie eröffnet auch eine Perspektive: Die Zeit der Verwaltungsmanager ist vorbei. Die Zukunft gehört den Führungskräften, die echten Mehrwert schaffen – als Coaches, als Innovatoren, als Menschen mit Haltung. Die Frage lautet also: Bin ich ein Manager, der Prozesse überwacht?Oder einer, der Menschen inspiriert?

Wenn Du Dich mit „Alignment“, „Deck Slides“ und „Status Calls“ beschäftigen, dann wird KI Dich in den nächsten Jahren vermutlich ersetzen. Das ist auch gut so, ehrlich gesagt. Es kann auch sein, dass es Dich schlicht und ergreifend nicht braucht. Was sind also die Alternativen?

Wie sich VPs und Senior Manager jetzt vorbereiten sollten

Wer heute in einer VP- oder Senior-Manager-Rolle sitzt, sollte nicht abwarten, bis die Axt fällt – sondern sich jetzt strategisch neu aufstellen. Denn die Alternative zu einem künstlichen Konzernjob ist kein Karriereknick, sondern eine echte Chance auf Selbstbestimmung.

Es gibt im Wesentlichen zwei Wege:

a) Gründe selbst.

Mit deiner Erfahrung, deinem Netzwerk und deinem Verständnis für Strukturen hast du das, was den meisten Gründern fehlt: Disziplin, Prozessdenken und ein Gefühl für Skalierbarkeit. Aber sei auch vorsichtig, viele VP’s habe Scheinnetzwerke, Gut-Wetterfreunde. Wenn du wirklich etwas brauchst, ausser bei Veranstaltungen schön am Tisch zu sitzen und nett Small Talk zu machen, sind plötzlich viele Freunde weg.

Starte klein – Beratung, Nischenprodukte, spezialisierte Dienstleistungen.

Du musst nicht sofort ein Unicorn aufbauen. Wichtig ist, dass Du wieder Entscheidungen triffst, die wirklich Konsequenzen haben. Und biete keine nebulösen Consulting-Dienstleistungen an. Sei konkret.

b) Wechsle in ein SMB.

Kleine und mittlere Unternehmen brauchen dringend Menschen, die komplexe Themen durchdringen und umsetzen können. Dort, wo jeder Franken zählt, wird aus PowerPoint plötzlich echtes Handeln. Wenn Du bereit bist, nicht nur zu analysieren, sondern selbst Verantwortung zu übernehmen, kannst du in einem SMB enormen Impact haben.

Um für diese „echte Welt“ vorbereitet zu sein, solltest du:

• weg vom Präsentationsmodus, hin zu greifbaren Ergebnissen;

• lernen, mit weniger Ressourcen zu arbeiten – ohne ganze Teams zur Unterstützung;

• dein Ego neu justieren: Status ersetzt kein Ergebnis;

• operative Erfahrung aufbauen, auch wenn es bedeutet, wieder näher am täglichen Geschäft zu sein.

Die, die diesen Wandel aktiv angehen, werden gebraucht.

Die, die an Titeln hängen, werden bald merken, dass sie niemanden mehr beeindrucken.

Die Zukunft ist flacher – und ehrlicher

Das Manager-Karussell dreht sich gerade neu.

Die alten Titel verlieren an Gewicht, und das ist gut so.

Denn am Ende zählt nicht mehr, wer welchen Titel trägt, sondern wer echten Beitrag leistet. Die Zukunft der Arbeit ist weniger hierarchisch, aber anspruchsvoller. Sie verlangt Klarheit, Mut und den Willen, sich selbst neu zu erfinden. Wer das kann, wird nicht untergehen – im Gegenteil: Er wird gebraucht, wenn der Nebel der alten Strukturen sich endlich lichtet.

Und jetzt kannst du sagen, der Albert spinnt wieder. Fabuliert. Kann sein, kann aber auch nicht sein. Und der “Economist” scheint meine Meinung zu teilen. In der jüngsten Ausgabe schreibt er nämlich genau über Middle Manager, die jetzt zum Gehen eingeladen werden.

“Why firms are getting rid of middle managers”, im “Economist”