Freie Garage oder Vertragspartner? Warum kleine Autowerkstätten 2025 unter Druck stehen – und wie sie trotzdem überleben können.

René Albert

Kleine Autogaragen gehören in der Schweiz irgendwie dazu wie das Dorfcafé oder die Metzgerei. Vielleicht hast du dein erstes Auto bei einer kleinen Garage gekauft – oder dort für den Service vorbeigebracht. Alte Poster an den Wänden, nicht das neueste Equipment aber meistens ein Typ der tatsächlich Ahnung von Autos – und Motoren hatte. Doch der Druck auf diese Betriebe steigt – nicht nur wegen Digitalisierung und Elektromobilität, sondern auch wegen wachsender Fixkosten, neuen Herstellerregeln und geänderten Kundenansprüchen. Wir haben mit einem der führenden Softwareanbieter für kleine unabhängige Garagen gesprochen. Betterworking ist eine Software vom Schweizer Softwareunternehmen Ancoris in Olten. Betterworking ist eine Cloud-basierte Werkstattsoftware mit allem was man im Autogewerbe braucht, speziell für Garagen und Reparaturwerkstätten ohne Markenvertretung. Ich habe das Gespräch mit Isabel Chinetti geführt, der Co-Geschäftsführerin. In dem Gespräch ist vor allem eines klargeworden – wer überleben will muss sich bewegen. Und zwar jetzt!

René: Hoi Isabel, schwitzt Du auch so wie ich hier?

Isabel: Hoi René, ja, aber nicht wegen dem Wetter (lacht). Ich mache mir Sorgen über die Garagistenszene in der Schweiz.

René: Warum? Es haben doch alle Autos die repariert werden müssen?

Isabel: Ja klar, aber die hohen Fixkosten und kleine Margen helfen den Garagisten nicht. Viele kämpfen ums Überleben – teure Investitionen in Ausrüstung und Software sind das eine, immer neue Rabattschlachten und steigende Löhne das andere. Und die Kunden machen Druck bei allem. Top-Service immer sofort aber zum Rabattpreis. Alles und jedes wird sofort online verglichen. Du stehst dann da und musst dich erklären warum dein Service 20 Franken teurer ist als bei der Grossgarage.

René: Haben die Grossgaragen und Markenvertretungen die gleichen Probleme wie die kleinen und Occasionshändler?

Isabel: Bürokratie schlägt bei kleinen und markenlosen Garagen schneller durch – einer der Gründe, warum wir bei “Betterworking” alles daran gesetzt haben, die Mitarbeiterschulung  kurz zu halten und die Bürokratie zu vereinfachen. Schrauben statt Schreiben – unser Motto. Aber Markenvertretungen haben ganz andere Probleme. Der Showroom muss auf Kosten der Garage genauso aussehen, wie die Marketingabteilung des Herstellers das will. Beleuchtung, Logos, Platten- oder Granitböden, die Farben. Das kostet viel Geld, das noch verdient werden muss! Es gibt Vorgaben für die Software (mit teuren Lizenzgebühren), die technische Ausrüstung und alles mögliche. Sogar der Teppich im Empfangsbereich wird meistens “von oben” diktiert. Freie Garagen sind da flexibler, “freier”, müssen dafür alles selbst organisieren. Ersatzteile, Diagnosegeräte, alles für alle möglichen Marken. Und bei kleinen Garagen geht es immer auch um den Aufbau bei Vertrauen. Denn wenn du ein grosses Logo siehst, nimmst du ja an dass die einen sauberen Job machen.

Beide haben also Probleme, aber auf einer anderen Ebene.

René: Warum soll denn jemand noch Vertragspartner werden, wenn die Auflagen so hoch sind?

Isabel: Du verkaufst kein neues Auto ohne Markenlogo an deiner Tür. Der offizielle Stempel vom Hersteller, das ist immer noch wichtig. Dazu kommt: Vertragspartner können sich auf ein oder zwei Marken spezialisieren. Das heisst, sie brauchen weniger verschiedene Ersatzteile und können gezielter lagern – was die Wartezeit für Kund:innen reduziert.

René: Haben also kleine Garagen keine Chance mehr?

Isabel: Kommt draufan. Sie müssen sich clever positionieren. Wer auf eine Nische setzt, kann punkten: Classic Cars, sportliche Umbauten, Camper-Vans, E-Bike-Service, Reifenhotel – alles, was spezialisierter ist, bringt Potenzial.

Eine andere Strategie: Statt in die Tiefe zu gehen, lieber in die Breite. Mehr Marken, vielleicht auch Motorräder oder kleinere Nutzfahrzeuge ins Angebot nehmen. Eine Art Allround-Service für die Region – während Vertragspartner immer enger getaktet werden von ihrer Marke.

Und dann auch noch ein anderer Gedanke: Viele “neuere” und vor aggressive Marken wie Tesla, BYD aber auch Nischenhersteller wie Genesis setzen auf luxuriöse Showrooms in Zürich oder so. Dort bestellen die Kunden ihr Auto. Vor allem Elektroautos haben sehr viel weniger bewegliche Teile, die Service-Intervalle werden länger…und viele Markengaragen werden eingehen.

René: Du machst jetzt ein neues Fass auf, Isabel…lass uns kurz bei Elektroautos bleiben. Vielleicht gehen die ja wieder weg?

Isabel: Haben vor zwanzig Jahren auch viele beim Internet gesagt. Glaub was du willst, aber Elektroautos haben einfachere Motoren, es braucht kein Ölwechsel, keine Kupplung, kein Auspuff – das bedeutet weniger Reparaturen und damit weniger Umsatz. Die grossen Marken werden sich zurückziehen…

René: Und schon haben wir ein Thema für unser nächstes Gespräch – werden Markengaragen überleben? Aber was bedeutet das jetzt für die kleinen? Und zwar jetzt, nicht in der fernen Zukunft?

Isabel: Die Bürokratie frisst viele Garagen fast auf – allein Terminplanung, Rechnungsstellung, Ersatzteilmanagement. Wer hier mit digitaler Hilfe aufräumt, gewinnt Zeit und Nerven. Und wer gleichzeitig gezielt in Nischen- oder Zusatzservices investiert, kann sich unabhängig von grossen Herstellern positionieren.

René: Verstanden. Also, die Situation ist hoffnungslos, aber nicht Ernst. Aber Spass beiseite, Probleme sind immer auch eine Chance! Kannst Du Dich mit dieser Schlussfolgerung anfreunden: Die kleinen Garagen sollten sich fragen wer sie sind, was sie sein wollen, lokale und regionale Möglichkeiten für eine Spezialisierung abchecken, die Vorteile der Digitalisierung mit smarten Lösungen nutzen und dann – handeln!

Isabel: Das wäre gut René! Danke für das Gespräch!

René: Ich danke Dir!